13.11.2018 | Fraktion trifft: Vortrag & Podiumsdiskussion: Wege aus der Plastik- Flut

Die Zahl mutet auf den ersten Blick unglaublich an: Jedes Jahr gelangen bis zu 12,7 Millionen Tonnen an Plastik in unsere Weltmeere. Doch führt man sich vor Augen, wie viele Plastikprodukte uns im Alltag begegnen, wie viel davon in den Müll wandert, dann relativiert sich das Ganze schnell wieder. Zurück bleibt die Erkenntnis, dass wir auf eine ökologische Katastrophe zusteuern, wenn wir nichts gegen den weltweit steigenden Plastikverbrauch unternehmen. Denn dann würde sich die genannte Zahl bis zum Jahr 2030 verdoppeln. Kurzum: Plastik ist zur Seuche des 21.  Jahrhunderts geworden.

Wohl kaum jemand weiß besser hiervon zu berichten, als die Saarbrücker Meeresbiologin Dr. Frauke Bagusche. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit der Plastik-Problematik, hat  zahlreiche Länder bereist und dabei unter anderem die schiere Plastik-Flut in und um die Weltmeere in Bildern dokumentiert. Einen Einblick in ihre Arbeit hat sie am 12. November bei unserer Veranstaltung “Wege aus der Plastik-Flut” im Café Jules Verne in Saarbrücken gegeben. Von Plastikteppichen gesäumte Landstriche in Vietnam bis zu Schildkröten, die sich in Plastiktüten verheddert haben – die Fotos, die Frau Dr. Bagusche präsentiert, regen zum Nachdenken an.

Doch was sind die Gründe für die Vermüllung? Besonders in Entwicklungsländern würden 90 Prozent des Abfalls nicht richtig entsorgt und landeten irgendwo in der Umwelt, gibt Frau Dr. Bagusche zu bedenken. Der Hintergrund ist oftmals mangelnde Bildung. Viele Einwohner*innen wüssten einfach nicht, wie der Abfall entsorgt werden muss.  Alleine durch den Jangtse-Fluss in China fließen pro Jahr rund 1,5 Millionen Tonnen an Plastikabfällen weiter ins Meer. Das Fatale: Die Stoffe zerfallen teilweise über Jahrzehnte hinweg in kleine Partikel und werden von Kleinstlebewesen, aber auch Meeresbewohnern wie Fischen oder Krebstieren aufgenommen und gelangen so letztlich in unsere Nahrungskette.

Doch die Auswirkungen auf die Flora und Fauna sind noch vielfältiger: Sogenannte Mikroplastik-Partikel absorbieren Schadstoffe, sie transportieren giftige Substanzen, Viren und Bakterien, die wiederum von Lebewesen aufgenommen werden. Und schließlich produzieren die am häufigsten verwendeten Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen die Treibhausgase Methan und Ethylen, wenn sie der Sonne ausgesetzt sind.

Es steht also unbestritten fest, dass wir dringend etwas gegen die Plastik-Flut unternehmen müssen. Doch was? Diese Frage stand im Fokus der sich anschließenden Podiumsdiskussion, an der neben Frau Dr. Bagusche auch die Inhaberin des ‘Unverpackt’-Ladens in Saarbrücken, Birgit Klöber, Bernd Selzner (Werkleiter ZKE Saarbrücken) sowie der Polymer-Chemiker Dr. Bertram Schmitz teilgenommen haben. Moderiert von Jörg Hektor (Radio Salü) hat sich eine rege Debatte vor mehr als 150 Besucher*innen entwickelt.

Schnell wird klar, dass Plastik aus unserem Alltag schwer zu verbannen ist: Es steckt in Lebensmittelverpackungen, in Kleidung, in Kosmetika. Und ein Großteil davon kann nicht recycelt werden, sondern landet in Verbrennungsanlagen. Laut Bernd Selzner können lediglich 25 Prozent des Inhalts der ‘gelben Säcke’ wiederverwertet werden. Ein großes Problem sei dabei, dass die Verbraucher*innen nicht das nötige Fachwissen haben, um alle Abfälle richtig vorzusortieren. Allerdings sieht Herr Selzner vor allem die Hersteller in der Pflicht, mehr recycelbare Verpackungen herzustellen. Darin unterstützt ihn auch Dr. Schmitz, der anmerkt, dass durchaus nicht jedes Plastik schlecht ist und man unter Verwendung der entsprechenden Stoffe die Recycling-Quoten erheblich erhöhen könnte. Inzwischen hätten dies erste Handelsketten erkannt und machten ihren Herstellern entsprechende Vorgaben für die Verpackungen.

Doch auch die Politik sei gefordert, Regelungen zur Eindämmung der Plastik-Flut zu finden – da sind sich alle Podiumsteilnehmer*innen einig. Das EU-weite Verbot von Plastikstrohhalmen sei ein richtiger Schritt, auch wenn er im Jahr 2021 deutlich zu spät komme, merkt Frau Dr. Bagusche an.  Doch weitere Schritte müssen dringend folgen. Aus Grüner Sicht brauchen wir zum Beispiel endlich eine Plastiksteuer und wir müssen die Hersteller zur Entwicklung und Produktion von Alternativstoffen verpflichten.

Und letztlich ist es an jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher, mit ihrer und seiner Kaufentscheidung den Herstellern zu signalisieren, dass es durchaus auch ohne Plastik geht. Denn für viele Plastikprodukte gibt es Alternativen, die etwa Birgit Klöber in ihrem ‘Unverpackt’-Laden in Saarbrücken anbietet. So appelliert sie auch an die Bürger*innen, ihre Einkaufsgewohnheiten zu überdenken. Denn es muss nicht die in Plastik verpackte Bio-Gurke aus dem Supermarkt sein, wenn es zum Beispiel auf dem Wochenmarkt die Gurke ohne Verpackung gibt. Statt Flüssigseife im Plastikmantel tut es auch ein Seifenstück. Und wie die Reaktionen aus dem Publikum an diesem Abend zeigen, hat in vielen Köpfen schon genau dieses Umdenken stattgefunden. So kann letztlich jeder dazu beitragen, dass wir Wege aus der Plastik-Flut finden.