19.01.2017 | Rede des Fraktionsvorsitzenden Timo Lehberger anlässlich des Neujahrsempfangs 2017

– es gilt das gesprochene Wort –

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

das Jahr 2016 war aus politischer Sicht sehr ereignisreich, mein Kollege Manfred Jost hat es bereits angesprochen. Auch der Saarbrücker Stadtrat stand vor einigen wichtigen Entscheidungen, auf die ich nun einen Blick zurück werfen möchte:

Ein großes Thema waren sicherlich die Elternbeiträge für die städtischen Kitas. Auf Betreiben von uns Grünen ist es gelungen, deren Erhöhung zu vermeiden und die Beiträge auf ihrem derzeitigen Niveau einzufrieren. Wir Grüne finden: frühkindliche Bildung muss – ebenso wie schulische Bildung – beitragsfrei sein. Denn gerade in den ersten Lebensjahren werden wichtige Weichen für die Entwicklung unserer Kinder gestellt. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Kitaplätze von größter Bedeutung. Zwischenzeitlich sind aber viele Eltern an der Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit angekommen. Meine Damen und Herren, sie kennen aber auch die Haushaltssituation der Landeshauptstadt. Dass die Entlastung ein Kraftakt für die Koalition und die Stadt war und ist, ist uns allen klar. Den Verzicht auf Beitragserhöhung kann die Landeshauptstadt eben nicht aus der Portokasse bezahlen und steht bei solchen Entscheidungen stets unter kritischer Beobachtung des Innenministeriums.

Uns Grünen war es, gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern, ein Anliegen, dass die dadurch entgangenen Einnahmen solidarisch von allen Bürger*innen finanziert werden. Mit der Anhebung der Grundsteuer B haben wir das erreicht. Entsprechend unverständlich finde ich es allerdings, wenn nun auch noch die Anhebung der Grundsteuer B kritisiert wird. Das passt nämlich gar nicht zusammen – es gilt doch immer noch die alte Regel: man kann den Euro nur einmal ausgeben.

Unsere Stadt hat das Ihrige getan, wir hoffen, dass uns andere Kommunen folgen….und wir hoffen, dass eine wie auch immer zusammengesetzte neue Landesregierung sich dieses Problems annimmt im Sinne der Bildung unserer Kinder und damit für unser aller Zukunft.

Ein weiteres Thema, das uns in den vergangenen Monaten beschäftigt hat und sicher noch weiter beschäftigen wird, ist die Windkraft. Wir Grüne setzen auf die Chancen durch dezentrale, saubere Energieversorgung vor Ort. Bezogen auf die Landeshauptstadt könnten wir durch die geplanten Windräder in Gersweiler und in Burbach immerhin über 4 % unseres Strombedarfes klimafreundlich produzieren und damit über 2 % unseres CO²-Ausstoßes vermeiden. Das ist Energiepolitik, die eben nicht dem St. Floriansprinzip folgt: Lass die anderen CO² vermeiden und mir meine schöne Aussicht…
Man führe sich nur vor Augen, welche Alternativen wir zu regenerativer Energieerzeugung haben: in einer Region mit dem Pannenmeiler Cattenom vor der Tür hängt unsere Existenz von der Windrichtung und der Kunst der Frachtpiloten, die bei ihrem Anflug auf Luxemburg knapp über der kaum gesicherten Decke des Meilers einfliegen, ab. Gleichzeitig lehrt uns die lange Tradition der Kohleverstromung an der Saar, welche Umweltbelastungen und welche damit verbundene Risiken mit den existierenden Kraftwerken der fossilen Energieerzeugung einhergehen.
Früher gehörte es ja zum Standardrepertoire manches Politikers, die Grünen mit der rhetorischen Frage zu verspotten, wo denn der Strom herkomme? Wir alle kennen die Antwort: natürlich aus der Steckdose.
Dieser Gag sollte uns als Totalverweigerer hinstellen, als Leute die gegen alles sind und obwohl es keine vernünftige Alternative gibt, gegen die existierenden Energieformen protestieren.
Heute können wir diese Frage weitergeben. Wir haben die Alternativen. Und wir haben sie mittlerweile auch durchgesetzt. Heute müssen sich andere angesichts von Klimawandel und Atomausstieg die Frage gefallen lassen, ob ihr Widerstand beispielsweise gegen die Windkraft Sinn macht – bzw. woher bei ihnen der Strom kommt.
Manch ein Politiker, der fern ab vom Schuss in schönster ökologisch intakter Landschaft gegen Windkraft und Solarmodule protestiert und sich in nostalgischen Sonntagsreden für die Kohle (ich meine hier die richtige schwarze) stark macht, der sollte sich ab und zu mal Gedanken darüber machen, welche Umwelt – und Gesundheitsbelastungen mit dieser Energieform verbunden sind. Und was die Menschen ertragen müssen, die in der Nähe solcher Anlagen wohnen und leben. Gerade selbst ernannte Kämpfer für Gerechtigkeit sollten sich einmal mit dieser Frage auseinandersetzen. Vielleicht beginnt ein Umdenken aber erst dann, wenn der erste Eisbär am schönen Panoramafenster vorbeigelaufen ist.
Wir Grüne haben in diesen Diskussionen zurzeit keinen leichten Stand. Aber – wir kennen das.
Wir kennen das aus der Atomdiskussion, wir kennen das vom Kohleausstieg. Und wir wissen: Wer die Dinge verändern will, der braucht einen langen Atem.
Deshalb liebe Freundinnen und Freunde, wollen und werden wir die Diskussion weiterführen, und zwar etwas sachlicher, als das manchmal geschieht.
Dass mit der Energiewende auch wirtschaftliche Chancen verbunden sind, geht in vielen Diskussionen schlicht unter. Dass mit der Energiewende auch die Sicherung vieler Arbeitsplätze verbunden ist – auch das wird in den momentanen Diskussionen meist unterschlagen. Und wer das alles nicht glaubt, der sollte sich einmal die Verlustabschreibungen der großen Kohleverstromungskonzerne ansehen. Aus ihnen kann man unschwer ablesen, wie erfolgreich die Energiewende bereits ist. Und man kann ablesen, was geschieht, wenn man über Jahre eine falsche Energiepolitik betreibt. Die Zeche dafür werden nämlich alle bezahlen.
Mit Sorge schaue ich daher auf manchen politisch geschürten Widerstand aus der Bevölkerung gegen die Windkraft. Ich fordere deshalb erneut dazu auf, sich sachlich und vor allem Gemeinwohl orientiert mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Das scheint mir in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen zu sein.

Dass das zum Glück auch anders geht, sahen wir bei der Bürgerinitiative für die Erhaltung des Naherholungsgebietes im Almet. Eine Bürgerinitiative, die durch ihr Engagement bereits dazu beigetragen hat, dass im Käsbösch kein Industriegebiet entsteht und Saarbrücken damit ein wichtiges Naherholungsgebiet erhalten bleibt. Ein Naherholungsbiet, das allen zugutekommt.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich braucht Saarbrücken Neuansiedlungen von Unternehmen und muss dafür geeignete Flächen zur Verfügung stellen. Ich werde mich aber auch weiterhin dafür engagieren, dass sich die Landeshauptstadt nicht mehr an dem großen Verschiebebahnhof in Sachen Ansiedlungspolitik beteiligt, der sich im Saarland derzeit abspielt und von der Landesregierung durch entsprechende Förderpolitik noch angeheizt wird. Denn wirklich neue Ansiedlungen gibt es nicht, Arbeitsplätze werden nicht neu geschaffen, allenfalls verlagert von einer Kommune in die nächste. Und irgendwann zieht die Karawane dann auch von dort weiter in das nächst neuere Gewerbegebiet. Es sind Rahmenbedingungen wie die unselige Gewerbesteuergesetzgebung, die Städte und Gemeinden dazu anhalten möglichst viele Gewerbe- und Industriegebiete selbst an den unsinnigsten Orten auszuweisen, um entsprechende Einnahmen zu realisieren. Wir wünschen uns eine Landesplanung, die diesem Kirchturmdenken entgegenwirkt und eine steuerliche Rahmengesetzgebung, die Anreize zur interkommunalen Kooperation bei der Ansiedlungspolitik schafft. Dass uns die reine Verlagerung im Land nicht weiter bringt, ist das Eine. Die Lehre, die die Landeshauptstadt daraus zieht, ist das andere:
Wir in Saarbrücken müssen auf unsere Alleinstellungsmerkmale setzen. Zwar haben wir kaum freie Randflächen wie im Nordsaarland oder alte Militärbrachen wie den Zunderbaum, aber wir haben Menschen und wir haben Wissen – nämlich an den Hochschulen und das sind die Faktoren, die zukünftig über Industrieansiedlung entscheiden werden. Der Vorschlag, in Uninähe einen neuen IT-Park zu schaffen, findet daher unsere volle Unterstützung.
Wir Grüne verfolgen damit einen neuen Ansatz in der städtischen Ansiedlungspolitik: weg vom ökologisch bedenklichen Flächenverbrauch, weg von Lärm und Schadstoff emittierenden Betrieben in Stadtnähe, hin zu dem saarländischen Standort für moderne zukunftsfähige Branchen und Unternehmen!

Neben einer ambitionierten Wirtschaftspolitik werden wir in diesem Jahr auch noch viele andere wichtige Themen weiter verfolgen:
So werden wir uns selbstverständlich weiter für die Integration von Menschen mit Behinderung und die Barrierefreiheit in unserer Stadt einsetzen. Saarbrücken soll und muss eine Stadt für alle werden! An dieser Stelle möchte ich mich insbesondere bei meinem Fraktionskollegen Thomas Brass bedanken, der mich für die vielen Beeinträchtigungen, die der Alltag für Menschen mit Behinderung bietet, sensibilisiert hat. Es gilt diesbezüglich nicht nur Hindernisse abzubauen, sondern die individuellen Bedürfnisse dieser Personengruppen aufeinander abzustimmen. Den entsprechenden Dialog wollen wir fördern
.
Des Weiteren werden wir auch im neuen Jahr, gerade mit Blick auf die Landtagswahl, nicht müde werden zu betonen, dass die Landeshauptstadt Sonderlasten zu tragen hat. Verwaltung und rot-rot-grüne Koalition haben in Sachen Haushalt ihre Hausaufgaben gemacht und daran wird sich auch in diesem Jahr nichts ändern. Was sich ändern muss, ist die Politik und der Unterstützungswillen des Landes!
Abschließend wünsche ich Ihnen allen ein erfolgreiches, glückliches und gesundes neues Jahr. Insbesondere uns Mandatsträger*innen wünsche ich zudem, dass es uns auch 2017 gelingt, bei allen Kontroversen und bei aller Härte in der Sache nach den Debatten auseinander zu gehen, ohne dass persönliche Kränkungen zurück bleiben.
Vielen Dank!