31.01.2012 | Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Thomas Brück im Stadtrat

Reich in einer armen Gesellschaft ist nicht wirklich cool…

Alle Zahlen sind genannt. Auch die möglichen und unmöglichen Konsequenzen aus dem Zahlenkonvolut gezogen. Je nach politischer Couleur.
Und dennoch eines bleibt stehen: keine Richtung hat die wirkliche, eigentliche Lösung parat.
„Was soll’s, es ist doch nur Geld“, so sagt Bigboss Jeremy Irons zu Kevin Stacey im Film „Der große Crash“; vortrefflich, aber so kann nur reden, wer eben welches hat; und skrupellos dazu.
Nur die Städte und Kommunen des Saarlandes haben weder das eine noch das andere. Entspannt übers Geldausgeben zu entscheiden, diese Zeiten sind vorbei. Noch verfügen wir in der LHS über einiges mehr an Steuereinnahmen – im Vergleich zum Vorjahr. Aber das reicht nicht. Es muss gespart werden. Andererseits bedarf es der Investitionen in die Infrastruktur. Die Frage bleibt – und dies ist letztlich die politische Aufgabe der Haushaltsdebatte im Rat – es so hinzubekommen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich im Gemeinwesen wiederfinden.

Diesen Spagat zwischen Sparen und Investieren hat nach unserer Ansicht der Haushalt 2012 gemeistert.

Dass dabei wir Grüne vornehmlich in den ökologischen Umbau investieren wollen, liegt auf der Hand. Auch haben wir den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie im Blick, siehe die Einführung der Müllverwiegung, die jetzt erste Früchte trägt.
Wir stehen allerdings auch für soziale Fairness. Auch dies spiegelt der Haushalt 2012 wider. Sei es beim beitragsfreien Mittagessen an unseren Schulen, sei es bei der Aufrechterhaltung der kulturellen Infrastruktur, sei es bei der städtischen Verkehrspolitik.
Und nun zum Thema Radfahren in Saarbrücken: ein durchaus noch ausbaufähiges Thema, um es mal positiv auszudrücken. Die Verkehrsbefragung 2010 macht das ganz deutlich: mit 4% Radverkehrsanteil liegt Saarbrücken im Vergleich mit anderen Großstädten ähnlicher Größe ganz weit hinten. Dass Radfahren Klima und Umwelt schützt und die Lebensqualität vor allem in den Städten steigert, ist eine Binsenwahrheit und weitere Begründungen sind an dieser Stelle überflüssig.
Deshalb muss sich auch in Saarbrücken was ändern und deshalb haben wir auch darauf gedrängt, dass Saarbrücken endlich einen hauptamtlichen Radbeauftragten bekommt. Mehr Radwege und- streifen, mehr und bessere Abstellmöglichkeiten, eine bessere Vernetzung mit dem ÖPNV, mehr Öffentlichkeitsarbeit, um die Menschen vom Radfahren zu überzeugen, das alles ist nur möglich, wenn sich jemand auch darum kümmert und in die entsprechenden Planungs- und Entscheidungsprozesse und zwar in allen Phasen eingebunden wird.
In der Lebacher Straße wird sich für RadfahrerInnen einiges zum Positiven wenden. Hier wird eine Machbarkeitsstudie klären, wie die Lebacher Straße in ihrer Funktion als Einkaufsstraße im oberen Malstatt genutzt werden kann, ob und wie ein Fahrradweg bzw. Schutzstreifen entlang der Straße so angelegt werden können, dass das Fahrrad zum Einkauf alltäglicher Dinge auch ohne Gefährdungen eingesetzt werden kann.
Mittel in Radverkehrsmaßnahmen zu investieren, zahlen sich aus. Wollen wir hier in Saarbrücken nicht den Anschluss verlieren, müssen sich auch die Stadt und die im Stadtrat vertretenen Parteien mitbewegen und den neuen Fahrradbeauftragten in seiner Arbeit unterstützen.
Wobei einige Kommunalpolitiker endlich ihre negative Haltung gegenüber der Einrichtung dieser Stelle für den Fahrradbeauftragten aufgeben sollten.

Schuldenbremse, Gemeindefinanzreform, Gewerbesteuermehreinnahmen. Das sind kurz gesprochen die Kernworte der kommunalen Finanzpolitik. Und die Experten und Fachgremien müssen sich an diesen Themen abarbeiten. Kommen dann noch die üblichen Spielereien der Vergangenheit dazu – „tit for tat“ heißt das im Amerikanischen – will sagen, machst du „meine“ Landesregierung schlecht, beschimpfe ich „deine“ Oberbürgermeisterin – kommen wir einer sachgerechten Lösung nicht näher.
Ich beteilige mich nicht daran und habe auch nicht vor, es in Zukunft auf diesem Niveau zu tun. Egal wer die Regierung stellt. Das heißt nicht, kritisch die jeweilige Regierungspolitik zu hinterfragen.
Wo ich gerade dabei bin:
Was wir von der neuen Landesregierung erwarten, ist nicht mehr und nicht weniger als einen fairen Umgang mit der LHS. Auch und v.a. in Fragen der Haushalts- und Finanzpolitik. Ein klares Regelwerk, etwa in Form eines Vertrages zwischen Land und Stadt könnte hier helfen. Einen „Hauptstadtvertrag“, sozusagen.
Das sollten sich die künftigen Koalitionspartner, egal wer mit wem, ganz oben auf die Agenda setzen. Auch der Saarbrücker Finanzminister sollte sich hierbei seiner Heimatstadt verpflichtet sehen, meine Damen und Herren der CDU, diese Fragen sollten sie mal bei ihren Kreisparteitagen diskutieren, wäre zielführender als unnötigen Kladderadatsch über rotrotgrün in der Zeitung zu verkünden.

Alle wissen, dass die finanziellen Spielräume um Politik zu gestalten, sehr eng sind. Nein, schlimmer noch, sie sind fast gar nicht mehr vorhanden.
In den Fachgremien müssen wir die „trockenen“ Diskussionen führen und tun das sehr ausgiebig.
Aber die öffentliche Haushaltsdebatte im Rat hat auch die Aufgabe den Blick auf Dinge zu lenken, die ansonsten in der Finanzdebatte, in der es um Heller und Cent geht, verloren zu gehen drohen.
Lassen Sie mich daher zum Schluss einige Sachen dazu sagen.
Wie sollte eine künftige, nachhaltige Finanzpolitik und Kommunalpolitik aussehen?
Es kann nicht mehr so sein, dass dort oben in der Gesellschaft einigen Superreichen super gut geht, diese steuerlich befreit sind und denen dort unten gesagt wird: 2
„Wenn es denen dort oben gut geht, wird noch soviel nach unten durchfallen, dass ihr hier unten auch noch satt werdet.“ So war die Politik der Marktradikalen der 80iger Jahre. Eine sogenannte Liberale Partei hatte mit diesen Aussagen – in abgewandelter Form – 2009 ein beachtliches Bundestagswahlergebnis erzielt. Hatte aber nicht bemerkt, dass zwischenzeitlich die kapitalistische Welt nicht mehr so war wie einst.
Lehman Brothers, Credit Default Swaps und Subprime-Krise sind die Schlagworte dieser Veränderung.
Wir mussten erleben, wie wackelig unser Wirtschafts- und Wachstumsmodell ist. Ist es doch ausschließlich auf großen Zuwachs, auf „immer mehr“ und „immer billiger“ getrimmt. „Immer mehr“ ist eben nicht „Immer besser“.
Unser Wirtschaftsmodell ruiniert das Klima, vergiftet die Böden und fischt die Meere leer. So kann und so wird es nicht mehr weiter gehen.
Im Jahr 2012 jährt sich zum 40igsten Mal die Herausgabe des „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome. Und hat von seiner Aktualität kein Jota verloren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass zukünftig in den Städten der Keim gelegt werden kann eine Veränderung des Wirtschaftsdenkens zu erreichen. Denn in den Städten gibt es allerorten „Stadtlabors“, die an einem Leben der Zukunft basteln:
Sei es beim Neubau von Häusern im Nullemissionsstandard, sei es beim alltäglichen Lebensstil, sei es beim Stärken der Energiewende durch engagierte Stadtwerke und dezentrale Energieerzeugung.
Das alles sind Beispiele wie sich eine zukünftige Kommunalpolitik entwickeln kann.
Und dafür müssen wir Geld und Engagement aufbringen.
Und dafür brauchen wir auch funktionierende Steuergesetze.
Und eben nicht kurzsichtige Prestigebauten, wie z.B. den Neubau eines Fußballstadions aus öffentlichen Mitteln.
Unsere Politik braucht Mut und Verteilungsveränderung.
Wenn wir beginnen daran gemeinsam zu arbeiten, statt die politischen Fehler der 70er und 80er Jahre zu wiederholen, haben wir mehr für das Wohlergehen unserer Stadt und das Überleben des Saarlandes getan, als jede noch so kleine große Koalition.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.