09.01.2013 | Rede der Fraktionsvorsitzenden Karin Burkart anlässlich des Neujahrsempfangs 2013

Es gilt das gesprochene Wort!

Vor wenigen Tagen hat das neue Jahr begonnen und es kam mir dennoch wie gestern vor, als das Jahr 2012 mit viel Getöse und Knallern begonnen wurde. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt mit der Fair-Trade Initiative Saarbrücken in Kenia und habe dort – dank moderner Technologien – von dem nächsten Knaller erfahren, der Auflösung der Jamaika-Koalition.
Die Folgen dieses Ereignisses beschäftigen unsere Partei – im Grund genommen – bis zum heutigen Tag. Ich denke an die daraus resultierenden Neuwahlen, die personellen Diskussionen, die kein Ende nehmen und an die laufenden Schiedsgerichtsverfahren. Im Hinblick auf die unterschiedlichsten anstehenden Wahlen sind diese personellen Querelen schleunigst zu beenden. Es stellt sich die Frage, wie politische Kontrahenten und Kontrahentinnen – innerhalb der Partei – miteinander umgehen. Als positives Beispiel sei die im Bund durchgeführte Urwahl der SpitzenkandidatInnen genannt. Offenbar strahlt diese Umgehensweise positiv auf die Wähler aus. Während die CDU nach der ersten Urwahl der Grünen in einer einzigen Woche drei Prozent der befragten Wähler verlor, legten die Grünen zu.

Die Probleme vor Ort relativieren sich jedoch vor dem Hintergrund der internationalen Schlagzeilen der letzten Wochen – ich möchte hier nur einige gravierende beispielhaft benennen wie den Amoklauf in den USA, die Vergewaltigungen in Indien, dem Lande Ghandis, die Macht der Multis, die die Kleinbauern in Abhängigkeit und Armut stürzen, der tägliche Hungertod tausender Kleinkinder und die Tatsache, dass den wenigsten Menschen ein Zugang zu sauberem Wasser möglich ist.
Diese gebündelten Katastrophenmeldungen sollten allerdings nicht zu Mutlosigkeit führen, sondern uns antreiben, unsere Bemühungen zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen im Interesse aller zu intensivieren. Es ist zu einfach und wenig zielführend, immer wieder schwere Zeiten und kommende Schwierigkeiten und Krisen zu prognostizieren. Haben wir doch 2012 hohe Reallohnzuwächse, eine Rekordbeschäftigung, und hohe Steuereinnahmen zu verzeichnen. Trotz dieser positiven Vorgaben war unsere Bundesregierung nicht in der Lage, einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. Auch die großmundig angekündigte Steuerreform lässt weiterhin auf sich warten. Allerdings wurde – trotz erheblichem Widerstand aus den eigenen Reihen das Betreuungsgeld eingeführt – in meinen Augen ein Rückschritt und kein Fortschritt.

Eine dringend erforderliche Bildungsreform wurde erst gar nicht in Angriff genommen. Dabei sind Themen wie Bildung und Energiewende in aller Munde. Erst vor wenigen Tagen hat der neue Bundes-Umweltminister aus dem Saarland, Herr Peter Altmeyer, ausdrücklich betont, welchen Stellenwert im Hinblick auf Wachstumschancen die Umsetzung der Energiewende haben kann – gerade im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Saarlandes. In der letzten Woche schloss er sogar im SPIEGEL die Atomkraft für alle Zeiten aus. Man ist versucht zu sagen: Viel mehr vernünftige Saarländer müssen an die Macht.
Erschreckend, dass Herr Öttinger es wagt, zur gleichen Zeit vom Bau neuer Atomkraftwerke zu sprechen und hierin einen Fortschritt für die Allgemeinheit sieht. Das Thema Energie ist ein sehr spannendes, bedeutet doch die damit verbundene Energiewende einen Umbau der Energie-Versorgungssysteme. Diese Herausforderung und gleichzeitige Chance für Wirtschaftswachstum, Innovation und Nachhaltigkeit fordert uns heraus. Die großen Atomkonzerne in trauter Gemeinsamkeit mit der Bundesregierung bremsen wo nur möglich. Geht doch der Erfolg der Erneuerbaren Energien weitgehend an den großen Konzernen vorbei.

Stromerzeugung in Bürgerhand nimmt RWE, EON und Co schon jetzt immer mehr Marktanteile ab. Ein weiterer gewichtiger Grund schwarz/gelb bei den kommenden Bundestagswahlen abzulösen.
Hier im Landes sieht es nicht besser aus: Klimaschutz und Energiewende scheinen ungeliebte Kinder. Der Masterplan Energie – unter grüner Federführung begonnen – sollte weitergeführt werden, allerdings nicht mit „einer Rolle rückwärts“. Der saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas scheint Protagonist der Energie-Wendebremser. Er will die Wirtschaft vor vermeintlichen Kosten schützen und tut das Gegenteil. Damit verhindert er auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Er unterstützt auch die These, dass die Erneuerbaren Energien für den Anstieg der EEG-Umlagen verantwortlich sind. Jedem Interessierten ist bekannt, dass die sinkenden Strompreise an der Börse an die Verbraucher nicht weitergegeben und die großen Stromverbraucher zu Lasten der kleinen und mittleren Unternehmen und Privathaushalten von der Umlage befreit wurden.
Ebenso kritisch ist seine Ankündigung vom angeblichen Wildwuchs der Windräder zu sehen. Das Festhalten an alten Plänen verhindert mehr, dass neue Einnahmen für Kommunen generiert werden können, die den BürgerInnen zu Gute kommen. Dagegen spricht er sich für – auch in Zukunft – unwirtschaftliche Kohlekraftwerke aus.
Halten wir es lieber mit Victor Hugo: Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Die Themen Umwelt und Energie sind nach wie vor von äußerster Wichtigkeit – im Hinblick auf eine Weiterentwicklung unseres Standortes und die Zukunft auch kommender Generationen. Die Bedeutung der Umweltproblematik hat die jetzige Landesregierung nach meinem Dafürhalten nicht in dieser Deutlichkeit erkannt.
Auf kommunaler Ebene haben wir dagegen gehalten und das Rot-Rot-Grüne Bündnis hat in der letzten Stadtrats-Sitzung des vergangenen Jahres den zukünftigen Umweltdezernenten gewählt – trotz eines heftigen Störfeuers der Opposition und der Medien. Auch hier hat sich wieder gezeigt, dass das Bündnis zu einer produktiven Zusammenarbeit im Interesse des Bürgers und einer Weiterentwicklung der Landeshauptstadt in der Lage ist.
Als Erfolge führe ich eine sozial ausgewogene, ökologisch und wirtschaftlich vernünftige Politik an, die den Ausbau von Ganztagsschulen und Krippenplätzen vorantreibt, die Stadtteilentwicklung nicht vernachlässigt und die Müllerverwiegung eingeführt hat.
Die Aufwertung der Bahnhofstraße, die Umgestaltung der Berliner Promenade und Neugestaltung des Rabbiner-Rülf-Platzes und die Entwicklung am Euro-Bahnhof sind unter anderem weitere Beispiele unserer erfolgreichen Zusammenarbeit, ebenso wie die begonnene Neugestaltung des Mühlenviertels.
Alle benannten Projekte sind positive Beispiele für die Weiterentwicklung unserer Stadt und machen sie konkurrenz- und zukunftsfähig. Die bauliche Entwicklung der Stadt sollte jedoch unbedingt ergänzt werden durch eine Weiterentwicklung im verkehrspolitischen Bereich. Dazu muss auch der neu eingeführte Radverkehrsbeauftragte seinen Beitrag leisten, der in alle diese Planungen frühzeitig einzubeziehen ist. Eine weitere Möglichkeit bietet auch eine Erweiterung des Car-sharing. „Mobil sein ohne eigenes Auto“, so wird in Zukunft die verkehrspolitische Devise einer modernen Stadt lauten. Bereits heute verzichten immer mehr Deutsche auf einen eigenen Wagen. Sie nutzen – neben dem ÖPNV – bei Bedarf ein Fahrzeug der derzeit rund 140 Anbieter in Deutschland. Saarbrücken hat die Möglichkeit, bei der Umgestaltung des ehemaligen Kaiser-Friedrich-Bad-Areals darauf zurück zu greifen oder dieses Angebot im neuen Viertel des Franzenbrunnens zu vergrößern.

Eine Rede zu Neubeginn eines Jahres beinhaltet eine Rückschau und einen Ausblick. Dabei stellt sich uns die grundsätzliche Frage: in welchen Zeiten leben wir eigentlich?
Hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen – wie im Rahmen des Saarbrücker Frauenthemen-Monats dargestellt und auch im letzten Heft des Kinderschutzbundes nachzulesen ist.
Eltern versuchen die Zeit möglichst effizient zu proportionieren in Zeit für Arbeit, Haushalt, Familie, Hobby, Eltern, Paar, Fernsehen, Wellness, Urlaubszeit und anderes.
Für Kinder bedeutet dieselbe Frage: Zeit für Schule, Hausaufgaben, helfen, Nachhilfe, Fernsehen, Spiel, Förderung, Training, Zeit für Oma, Computer, Übungszeiten für Musikinstrumente – nicht zu vergessen ein dosiertes Fensterchen für das liebevolle Miteinander von Eltern und Kindern.
Was brauchen Kinder wirklich? Maßvolle Eltern! Sie brauchen auch viel Leerlauf und Muße, sie müssen auch mal Quatsch machen, Rumsitzen, Luftschlösser bauen, Tagträumen und zweckfrei spielen dürfen.
Dieser Freiräume bedürfen allerdings auch Erwachsene. Die Zeit soll denen gehören, die sie leben. Zeit darf sich hierbei nicht nur auf Arbeitszeit reduzieren.
Unsere Gesellschaft ist nicht schlechter oder besser geworden, sondern nur schlicht anders. Wir müssen gegebenenfalls akzeptieren, dass unsere Kinder und Jugendliche andere Vorstellungen haben, das bedeutet aber keineswegs, dass jeder machen kann, was er will. Um diese Schnittmenge gilt es zu streiten, unaufhörlich und immer wieder – auch wenn es schrecklich anstrengend ist.

Von Anstrengungen wollen wir allerdings in den kommenden Stunden nichts wissen, sondern die Zeit hier gemütlich und bei guten Gesprächen verbringen.

Ich möchte mit einem Zitat von Dante Alighieri schließen: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“
Packen wir’s an.

Ich wünsche Ihnen allen viel Vergnügen.