08.02.2011 | Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Thomas Brück im Stadtrat

Es ist jedes Jahr dasselbe Ritual. Die Fraktionsvorsitzenden, haushaltspolitischen Sprecher setzen sich zusammen, stellen sich hier oben hin und reden vor und zu dem Volk, zu den Stadtverordneten. Ich habe dieses Wort „Volk“ bewusst gebraucht, weil große Worte immer gebraucht werden, aber leider hört im Prinzip niemand mehr zu.

Es gibt unsäglich viele Sachen zu sagen, aber eines ist aus dieser Debatte hervor gegangen, d. h. eigentlich alle Kolleginnen und Kollegen sind der Meinung, dass die öffentlichen Haushalte verschuldet sind, und stellen das zu Recht auch fest. Auch wenn das hier für Freude oder für Lachen sorgt: Die Leute, das Volk, man versteht es nicht mehr.
Wir lamentieren, die CDU sagt dieses, die Grünen jenes, die FDP das, die Linken und die SPD noch einmal etwas anderes, und im Prinzip ändern wir nichts an unseren Einstellungen, und wir ändern nichts daran, wie die Finanzen grundsätzlich solide und sachgerecht werden sollen. Jeder beansprucht für sich, das Konzept zu haben. Niemand ist aber in der Lage, es so umzusetzen, dass es dorthin führt, dass die öffentlichen Haushalte konsolidiert werden. Das scheint mir die zentrale Frage aller öffentlichen Haushalte zu sein, wie wir dahin kommen. Ob das jetzt in Saarbrücken, in Ludweiler oder in St. Wendel ist, überall fehlt es einfach hinten und vorne an Geld. Alle sind davon betroffen, und niemand kann sich wegducken. Alle wollen aber auch funktionierende kommunale Strukturen. Wir wollen Kindergärten, wir wollen Schulen, wir wollen, dass die Dächer repariert werden, wir wollen, dass es nirgends hinein regnet, wir wollen auch, darüber werden wir nachher noch diskutieren, dass die Straßen funktionieren. Eine solide Fiskalpolitik wäre also notwendig und am Bürger orientiert. Klar ist auch, dass die Stadt Saarbrücken nicht alleine für dieses Dilemma der öffentlichen Verschuldung verantwortlich ist. Lieber Herr Strobel und Kollegen von der CDU, es führt zu nichts zu sagen, „wir sind das Land“. Es führt zu nichts, weil im Moment von der CDU bzw. einer Jamaika-Koalition geführt, und das sind dann die Guten, und die von der Stadt, in der Rot-Rot-Grün ein Bündnis haben, die sind dann die Bösen. So kommen wir keinen Schritt weiter, und aus diesem Lagerdenken müssen Sie ausscheren, und müssen auch diesen Haushaltsentwürfen, die wir hier vorgelegt haben, die eine vernünftige Grundlage für die weitere Konsolidierung bieten, auch wenn sie nicht das Problem in sich lösen, dieser Sache sollten Sie aber näher treten und zustimmen.
Eine große Frage, das hat Bürgermeister Latz eben auch in seiner Präsentation dargestellt, ist und bleibt die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist das klassische Finanzinstrumentarium der Kommunalpolitik. Wir als Grüne sehen in dieser Steuer ein ganz wesentliches Steuerungsmoment für den öffentlichen Haushalt hier in Saarbrücken. Da kommt nun einmal der viel gescholtene Bund auch ins Gespräch, weil nur von dort dieses Gesetz entsprechend verändern werden kann. Da würde ich mir dann erwarten von einer Koalition aus CDU und FDP im Bund, hier endlich einmal Bewegung zu zeigen, weil uns nämlich eine Reform der Gewerbesteuer in dem Sinne, dass wir sie nicht abschaffen, wie Herr Schäuble das zumindest einmal beiläufig erwähnt hat, sondern indem wir sie reformieren. Dazu gehört auch, dass mehrere oder andere Berufsgruppen in diese Steuer mit einbezogen werden, wie z.B. Freiberufler oder Einkommen aus Mieten und Pachten.

Wir haben Sonntagsreden gehört. Die führen wir auch. Wir hören Schlagworte wie „Wachstumsmotor Kommune“, und eigentlich folgen darauf keine Gesetzesnovellen. Da richte ich mich noch einmal an das Wir-Gefühl: Salopp genannt, die „Kommunalos“ sollten in ihren Parteien verstärkt darauf hinwirken, dass wir das alle erreichen können in unseren Parteien.
Wir brauchen nicht nur Erhalt, wir brauchen auch Investitionen in die Infrastruktur. Ich habe das eben gesagt, es sind auch Investitionen in Straßen, in Dächer oder anderes notwendig, auch in die Kultur- oder in die Sozialpolitik.
Auch hier will ich ein Lob an die städtische Kämmerei sagen. Es ist die hohe Kunst dieser Kämmerei, segensreich und detailliert zu arbeiten. Es ist nicht immer leicht, diesen Spagat hin zu bekommen. Aus unserer Sicht hat es die Verwaltung, an ihrer Spitze Bürgermeister Latz, hervorragend geleistet. Deshalb werden wir auch diesem Haushaltsentwurf zustimmen mit den Änderungen, die wir nachher diskutieren werden. Ich hoffe, dass diesen Beratungen die anderen Fraktionen auch nahe kommen, und es uns gemeinsam gelingt, diesen Haushalt zu verabschieden.
Ich möchte aber noch zwei, drei Takte sagen zu dem, was ich anfangs betont habe, dass wir mit dem „Weiter so“, einem Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeiten, ich nehme uns da explizit nicht aus, aber mit einem „Weiter so“ nicht weiter werden wirtschaften können und auch nicht weiterkommen.
Es scheint vielen im Rat immer noch nicht klar zu sein, dass wir in allen Politikbereichen einer Umkehr bedürfen. Ein „Weiter so“ wird in der Wirtschafts- und Finanzpolitik die Probleme nicht mehr lösen können. Wirtschaftswachstum als alleiniger Seligspender für gesellschaftlichen Fortschritt ist ein Auslaufmodell. Das Messen des Wohlstandes alleine an der Wirtschaftskraft eines Landes oder einer Region ist überholt. Umweltbedingungen, gesellschaftliche Verhältnisse, und ganz wichtig, individuelles Glücksempfinden spielen eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft. Wir Grünen, wir stehen für diese Umkehr und die Gestaltung des politischen Spielraumes dazu. In der Mobilitäts- und Stadtentwicklungspolitik sehen wir dazu eine wesentliche Stütze für unsere Politik. Zum einen haben wir mit dem Bau- und Wohnprojekt „Franzenbrunnen“, das wurde heute hier noch nicht erwähnt, eine wichtige Maßnahme auf den Weg gebracht, die für Saarbrücken neue Standards setzen wird. Zum anderen wird Gott sei Dank auf unsere Initiative hin die Radfreundlichkeit gesteigert und ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung der VerkehrsteilnehmerInnen getan, möge das auch viele Leute hier aus der konservativen Ecke, aus der CDU/FDP-Ecke nicht so besonders erfreuen.
Ein wichtiges Instrument, um diese Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer auf den städtischen Verkehrswegen voran zu bringen, ist die Einrichtung der Stelle des Fahrradbeauftragten. Saarbrücken braucht diesen Fahrradbeauftragten. Die Radfahrer der Stadt können ein Lied davon singen. Wir haben kein geschlossenes Radwegenetz, keine ausreichenden Abstellmöglichkeiten, rücksichtslos zu geparkte Radwege. Kein Wunder, dass man in der Stadt wenig Rad fahrende Menschen sieht. Die berühmte Zahl von zwei bis drei Prozent Anteil am Radfahrverkehr sind allen hier Anwesenden bekannt. Schlusslicht im bundesdeutschen Städteranking. Wer auf vier Rädern unterwegs ist, hat es in Saarbrücken besser. Auf der Rangliste der 50 deutschen Großstädte mit der höchsten Pkw-Dichte nimmt Saarbrücken den dritten Platz ein. Wem allerdings Umwelt und gute Lebensbedingungen in der Stadt am Herzen liegen, kann hierzu keine Glückwünsche aussprechen. Ganz im Gegenteil, die Belastungen durch Lärm, Abgase, Feinstaub sowie die absehbaren Auswirkungen des Klimawandels auch auf Saarbrücken verlangen eigentlich durchgreifende Maßnahmen. Um die Menschen vom Radfahren zu überzeugen reichten Argumente, die ausschließlich an die Vernunft appellierten leider nicht aus. In Saarbrücken muss eine breite politische und gesellschaftliche Akzeptanz dafür geschaffen werden, dass der öffentliche Verkehrsraum allen Verkehrsteilnehmern gleichberechtigt zur Verfügung steht. Es muss die Einsicht wachsen, dass das Rad genauso ein Verkehrsmittel ist, wie Bus, Bahn, Auto und Fußgänger. Wir sind hier auf keiner grünen Spielwiese, sondern auf dem Weg zu einer einer nachhaltigen Mobilität in Saarbrücken. Wer hier dann wie FDP und CDU sage, ein Fahrradbeauftragter ist überflüssig, der handelt nicht im Interesse der Saarbrücker Bürger und parteipolitisches Taktieren um diese Sache und dieses sinnvolle Anliegen zu unterstützen, taugt nicht, und bringt uns keinen Schritt weiter.
Wir sagen, wir haben nach Jahren des Stillstands jetzt einen vernünftigen Haushaltsentwurf vorgelegt. Wir werden auch Änderungen darin vorzunehmen haben, und wir werden darüber offen und ehrlich streiten. Ich kann nur an die Herren und Damen der Opposition appellieren, dem zuzustimmen. Wir werden das von der Grünen-Fraktion aus tun. Ich wünsche uns in diesem Sinne noch erfolgreiche Beratungen.